Vom Big Apple in die Khao San Road - Zimt und Pflaume umrunden die Welt. Stationen sind Kenia, New York, L.A., Neuseeland, Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand und Vietnam.

Montag, November 20, 2006

Shalom Munich

Reisen ist das Eine. Gäste haben das Andere.

Dass die eigene Käseglocke plötzlich explodieren kann und die Welt doch viel komplizierter ist, als gedacht - das habe ich heute lernen dürfen, als ich Noa und Ahlam kennen gelernt habe.
Die beiden Mädchen sind aus Israel, Noa ist Jüdin, Ahlam Moslem. Sie machen beim Kreis-Jugend-Ring München ein FSJ. Und ich werde sie die nächste Woche mit der Kamera verfolgen, um eine Reportage über sie zu drehen.

Heute hatten wir unser erstes, richtiges Gespräch. Was ist das Thema? Das ist die bohrende Frage. Juden und Deutschland. Palästinenser und Bomben. Oder doch nur zwei Mädchen in einem fremden Land.

Wir haben über alles geredet, was uns eingefallen ist. Weil es uns in erster Linie Spaß gemacht miteinander zu reden. Ich muss zugeben, dass es das erste Mal war, dass meine urdeutsche Vergangenheitsbewältigung auf eine Jüdin getroffen ist. Nicht auf Mit-Deutsche, die auch in der dritten Generation lässig sagen: Ach, Schwamm drüber. Ein Mädchen, dass beim Wort Holocaust Wut bekommt, Wut auf ein Land und seine Menschen. Es war das erste Mal, dass ich gegenüber einem Juden gesagt habe, dass ich mich schuldig fühle für die deutsche Vergangenheit. Und jetzt bin ich am Überlegen, ob das stimmt.

Noa erwartet es nicht. Sie sagt, sie schämt sich für ihre Wut, die Menschen die sie in Deutschland kennenlernt sind offenherzig und gut. Ich komm mir irgendwie blöd vor über den Holocaust zu reden - und doch geht es nicht ohne ihn, mit der Jüdin und dem Thema. Ich weiß nicht, ob die Reportage über den Holocaust sein sollte.

Ahlam kann da nicht mitreden und es ist schon eine absurde Situation, dass man das Thema am Tisch wechselt hin zu Selbstmordattentaten, weil da jeder was zu sagen kann. Zum Beispiel, dass Ahlams Tante ihre Beine verloren hat in einem Bus. Oder dass ihr Lieblingscafé zweimal attackiert wurde. Jetzt geht sie da lieber nicht mehr hin.

Was soll man da noch verstehen, wenn der palästinensische Terror der muslimischen Frau die Beine wegreißt und der jüdische Bekannte von Noa von der israelischen Armee im Libanon-Konflikt erschossen wird. Das ist doch alles absurd, so absurd, wie die Geschichte die Avi berichtet. Er ist ein Freund der beiden. Er erzählt, dass er als es einen großen Anschlag auf das Dolphinarium in Tel Aviv keine 1000 Meter weit entfernt saß und nach dem Anschlag ein zweites Glas Bier bestellte und noch nicht einmal die Musik aussetzte.

Angst wird in Deutschland derzeit kultiviert, die Zeitungen sind voll davon. In Israel ist man darüber längst hinweg, da sagt man: Was bringt mir Angst? Wenn ich mich daheim einschließe, lebe ich auch nicht. Zu Zeiten großer Anschlagswellen sind die Straßen voll und die Leute feiern bis spät in die Nacht - sagt Avi.

Vielleicht lässt sich aber Angst auch nur durch pathetische Geschichten ertragen. Sicher bin ich mir aber, dass ich auch gerne so tue, als ob ich wie der Schäfflertänzer vor der Pest hertanze, aber mit einem mulmigen Gefühl in ein Flugzeug oder die U-Bahn steige.

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