Vom Big Apple in die Khao San Road - Zimt und Pflaume umrunden die Welt. Stationen sind Kenia, New York, L.A., Neuseeland, Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand und Vietnam.

Sonntag, März 04, 2007

Mordor oder Mars

(Neuseeland Foto-Gallery auf zimtundpflaume.de)


Die Zeit laeuft verzoegert, seit wir in Auckland gestrandet sind. Die Nacht zuvor haben wir am Wainu Beach naehe Clarke's Beach verbracht. Wieder einer der Plaetze, an denen man ankommt, ehe man sich noch vorstellen kann ueberhaupt einen Schlafplatz zu finden. Dafuer aber mit Toiletten (die wir beiden Angsthasen in der Nacht eh nicht benutzen wuerden).





Die letzte Nacht ist eine Zusammenfassung unserer Erlebnisse beim Wild Campen: Das Rauschen des Meeres, die strahlenden Sterne, unheimliche Schatten, zirpende Zirpen und ein manchmal mehr und manchmal weniger bequemes Bett. Es gibt Nudeln mit Sauce (Reste Essen) und Salat, dazu kein Bier und keinen Wein und leider heute auch keine Gesellschaft. Es faellt einem doch etwas ein, zu reden, obwohl man seit 44 Tagen aufeinander sitzt und tatsaechlich kommt das Gespraech zu dem Punkt wo es interessant wird - als ob man sich das erste Mal getroffen haette.





Als letzten Hoehepunkt hatten wir uns das Tongariro Crossing aufgehoben und sind dabei sieben Stunden ueber und durch die Mordor-Vulkanlandschaft gewandert, die sicherlich wohlbekannt aus Herr der Ringe ist. Tatsaechlich gibt es Ausblicke auf diese Landschaft, die einen an Orks und Trolle denken laesst, Felsenspitzen, die aus dichtem Nebel ragen, Wuesten auf denen verstreut Lavabrocken liegen, Schwefelgeruch in der Nase und kaum Halt auf einem rutschigen Grat am Krater entlang, der hell rot leuchtet und dampft, als ob er gleich explodieren moechte. Und das Erschuetterndste: Als wir oben waren, sagen wir wie aus einem Mund, "Naja, wir haben besseres gesehen."





Das war Neuseeland, ein wundersamer Ort nach dem Anderen, eine Ueberfuelle an Dingen, der wir nicht immer Herr wurden, wo wir an manch gross angekuendigten Ort achselzuckend vorbeigingen, weil unsere Sinne schrieen: Es reicht! Es waren die schoenen Momente, wo wir atemberaubende Orte entdeckten und dort blieben, als ob wir die letzten Menschen auf der Erde waeren. Campen am tuerkisen See mit Blick auf den riesigen schneebedeckten Mount Cook. Stunden regungslos mit den Beinen im Wasser sitzen und abwaegen, ob es nun zu kalt oder doch warm genug waere zum Schwimmen und dabei nichts hoeren als vereinzelte Autos auf dem entfernten Highway und das allgegenwaertige Zirpen aus den Bueschen. Das leise Plaetschern an den rundgeschliffenen Steinen, manchmal ein Fisch.





Neuseeland ist touristisch, sehr touristisch. Wer eine Tour macht, wird es ueberlaufen erleben und sich denken: Es ist viel zu voll. Es gibt diese veroedeten Orte - wie die Pancake Rocks, wo die Touris Schlange stehen und es ganz nette Steine gibt, die aussehen wie gestapelte Pfannkuchen - aber entschuldigung, wenn das alles ist, was du von Neuseeland siehst, dann warst du nicht da, dann bist du 2000 km im air-con Bus gefahren, aber warst immer noch nicht in Neuseeland. Du warst vielleicht im Land der Herr der Ringe, aber du warst nicht in dem einsamen Neuseeland, wo dich dein Miet-Auto, ohne jeglichen Radio-Empfang, traegt, wo du in Gluehwuermchen Hoehlen gehst, ohne Oeffnungszeiten und ohne Eintrittsgeld. Wo du deinen Weg dann festlegst, wenn du an eine Kreuzung kommst (selten aber manchmal), wo du einspurige Schotterstrassen, an Schlagloechern und rasenden Schafshirten vorbei, faehrst und waghalsige Ausweichmanoever mit dem Gegenverkehr probst, ohne hunderte von Metern in den Abgrund zu stuerzen. Du bist erst dann in Neuseeland gewesen, wenn du nach dem Sonnenuntergang, die Sterne beobachtest und mit dem Sonnenaufgang wieder aufstehst. Es ist ein bezauberndes Land, wenn man sich darauf einlaesst. Ansonsten verkommt es vielleicht zu Stumpfsinn, zu einem Zuviel ... zu einer Kiwi-Experience.





Neuseeland ist nicht nur ein Ort, wo man Natur bewundern kann, sondern wo die Welt etwas lernen kann, wenn es um Naturschutz geht. Hier ist zwar auch nicht alles wunderbar, im Supermarkt wird nahezu jedes Produkt einzeln in eine Plastiktuete gepackt und nicht in jedem Naturschutzgebiet ist es verboten mit Quads und Motorraedern oder 4WDs durch den Schlamm und die Biodiversitaet zu rasen, aber zumindest hat Naturschutz hier eine Corporate Identity. Nahezu gefuehlte dreiviertel des Landes stehen unter Naturschutz und Organic Food (also Bio-Produkte) ist nicht nur populaer, sondern auch oft billiger. Wenn man durch dieses Land faehrt, sieht man Millionen von Kuehen und Abermillionen von Schafen mit unendlichem Auslauf. Was natuerlich nicht heisst, dass es hier gar keine Stallhaltung geben mag, aber obwohl es seit geraumer Zeit keine Subventionen mehr fuer Bauern gibt (was? Unvorstellbar!) lohnt sich Bio-Anbau in diesem Land und ist ein Exportschlager. In Neuseeland weiss man um den wachsenden Markt fuer Bio-Produkte, die Welt verlangt danach, Neuseeland verdient daran.


Ueberhaupt sind die Kiwis geschickt im Umgang mit der Natur. Zwei World Heritage Areas in Tongariro und den Fjordlands - das ist Marketing fuer den Tourismus! Dazu die vielen erfolgreichen Filme, weil man Naturschutz dann doch nicht so eng sieht und Filmcrews darauf rumtrampeln laesst. Es ist nicht alles Gold was glaenzt, das gilt auch hier. Aber wenn man Touristen Massenweise in diese Natur laesst und sie auf wenigen Pfaden wandern laesst, dann bringt das einmal unheimlich viel Geld in die Kassen des Naturschutz, und darueberhinaus ein grosses Bewusstsein fuer den Wert dieser Natur.





Wie handhabt man das in Deutschland? Laecherlich. Von einer Corporate Identity keine Spur, eine bundesweite Anstalt fuer Umweltschutz - niemals. Landratsaemter ohne Geld und Einfluss reduzieren sich auf die Abwehr unternehmenslustiger Bauherren, die schuetzenswertes einbetonieren wollen. Schoene Gegenden, sind hoechstens schoene Flecken, niemals aber Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete - im Auge des Betrachters. Es gibt jede Menge, aber niemand erkennt sie. Die Heide vor den Toren Muenchens ist ein Witz fuer jeden Muenchner und er sagt, was soll da schon sein. Herr Zeitler nannte die Garchinger Heide (fuer Biologen eine der wichtigsten Reservate weltweit) eine nette Wiese. Keine Sau ist hierzulande stolz auf die Ueberbleibsel der Natur. Und warum? Weil sie keiner vermarktet. Baut ein Tor hin, (keine Eisenschranke!) stellt Ranger ein, gibt ihnen Uniformen, schafft eine Corporate Identity, macht jedem Trottel klar, dass er in eine Staette des Naturerbe tritt.





Wir haben in Deutschland riesige Probleme mit Neophyten, eingeschleppten Pflanzen, die ohne natuerliche Feinde eine ungemeine Ausbreitung erleben und die heimische Biodiversitaet vernichten. Kanadische Goldrute zum Beispiel (goldgelb, entlang der S-Bahn leicht zu finden).


In Neuseeland gibt es dass auch - Didymo, das ist eine Alge, die in Neuseeland eingeschleppt wurde. Es klebt hier allerdings an jedem zweiten Auto ein Aufkleber: Beware of Didymo oder stop didymo. Am Flughafen wird man geroengt, von Hunden beschnueffelt und was weiss ich, weil man auf eingeschleppte Samen und Fruechte durchsucht wird - hier wird Naturschutz so ernst genommen wie anderswo Terrorismusbekaempfung. Und ich finde das eine sehr realistische Einschaetzung unserer gegenwaertigen Situation.





Naturschutz - ein Thema, dass sich durch unsere Reise zieht, wie ein roter Faden. Wir sind in Australien gelandet, in Melbourne, wo es seit Jahren nicht geregnet hat (Witzigerweise, faengt es gerade in dem Moment an zu schuetten, als wir aus dem Flughafen fahren - aber nur kurz, zu frueh gefreut)Immer noch unter dem Ozonloch, bekommen wir eine Idee von dem, was Klimawandel bedeutet. In Melbourne Stage 3 der Wasserknappheit. Rasensprengen nur am Samstag innerhalb zweier Stunden in der Nacht, Duschen nur 4 Minuten, die Wasserreserven der Stadt sind auf ein Drittel geschrumpft - langsam kommt man zu dem Punkt an dem es nicht mehr geht.





Man fragt sich, was die Welt braucht, um umzukehren: Unzaehligen Trockenheiten in Afrika, eine ersoffene Stadt in New Orleans, Orkane in Deutschland, ein verdorrtes Australien, unkontrollierbare Waldbraende... wir sollten handeln, bevor wir uns daran gewoehnen. Und nein: Wir koennen nicht auf den Mars emmigrieren, Mr. Bush.

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