Vom Big Apple in die Khao San Road - Zimt und Pflaume umrunden die Welt. Stationen sind Kenia, New York, L.A., Neuseeland, Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand und Vietnam.

Samstag, Mai 12, 2007

Glaube ist schwierig geworden

Es ist selten, dass jemand ein wahres Wort an uns richtet. Die Journalisten sind darueberhinaus diejenigen von denen man ein solches am wenigsten erwarten kann. Es macht mich bisweilen zornig, wenn dann eines Menschen ueberlegtesten Worte erneut zerteilt, verpackt und mit entsprechender Aufschrift in die jeweiligen Lager der oeffentlichen Meinung geschickt werden.

Papst Benedikt ist derzeit in Brasilien und was uns die Presse liefert sind Zusammenfassungen, die mehr Wert auf politische Dauerbrenner, wie Kondomverbot und Abtreibung, legen als auf das eigentliche Wort des Pontifex.

Dieser jedoch nimmt seine Aufgabe sehr ernst, die zu deutsch bedeutet: Brueckenbauer. Es ist wichtig, dass wir Bruecken zu den Menschen bauen, die in der Not gefangen sind und es ist wichtig, dass wir Bruecken bauen, die ueber das Leid hinwegfuehren. Darin ist man sich auch einig, kritisieren mag man den Papst dennoch gerne.

Doch Kritik ist die Ersparnis des Nachdenkens, die Ersparnis des Zuhoerens, die Ersparnis des Umdenkens und leider zuoft die Ersparnis des Heils. Wenn ich dem Anderen die Schuld gebe, dann muss ich mich nicht aendern.

Ich will euch einladen zuzuhoeren und kommentiere einige Zitate Benedikts aus einem Interview nach seiner Wahl zum Nachfolger Petri.

"Man muss ja erst wissen, was wir überhaupt wollen, nicht wahr. Und das Christentum, der Katholizismus ist nicht eine Ansammlung von Verboten, sondern eine positive Option. Und die wieder sehen ist ganz wichtig, weil die fast ganz aus dem Blickfeld verschwunden ist. Man hat so viel gehört, was man nicht darf, dass man jetzt hingegen sagen muss: Wir haben aber eine positive Idee, dass Mann und Frau zueinander geschaffen sind, dass sozusagen es die Skala Sexualität, Eros, Agape, die Dimensionen der Liebe gibt und dass auf die Weise dann zunächst Ehe als beglücktes Ineinander von Mann und Frau und dann als Familie wächst."

Christen verurteilen niemanden, der vor der Ehe Sex hat - das ist doch Bloedsinn. In den Worten des Papstes kann man das auch nicht lesen. Das inflationaer gebrauchte Wort der Einladung ist das einzig richtige: Wir laden jeden ein selbst zu lernen (und dazu mag auch die eigene Erfahrung zaehlen), was Gerechtigkeit bedeutet. Und es gibt eine essentielle Frage, die im Zusammenhang der Ehe gestellt werden muss: Braucht ein Kind eine Familie? Wenn ja, dann muessen sich doch Mutter und Vater ewig binden - oder wer lebt laenger? Und wann muessen sie das tun? Sobald sie doch ein Kind bekommen - und wann geschieht das? Na, trotz Verhuetung und allem moeglichen, besteht diese Moeglichkeit im hoechsten Mass beim Sex.

Ich will niemandem erzaehlen, was er zu tun hat und was nicht - ich weiss auch nicht, was der Papst selbst genau denkt, vielleicht ist er in diesen Dingen sogar ein bisschen weltfremd. Doch, was die Botschaft des Papstes sicherlich beeinhaltet ist sehr klug: Wenn du Sex mit jemanden hast, sei im Herzen bereit dein Leben mit dieser Person zu teilen. Denn Technik (sprich Kondome und Abtreibungen) koennen dich nicht von der Verantwortung befreien, die dein Leben mit sich bringt: Nach der Empfaengnis bist du Vater oder Mutter, egal wie deine Plaene aussahen und nun erinnere dich an deine Eltern: Was ist ihnen mehr wert, ihr Ego oder das Kind?

Und wenn ich provokant sein darf: Hat die Absenz von Regeln nicht auch dazu gefuehrt, dass wir, als wir geschlechtsreif wurden, aeusserst wahllos und unreif mit diesem Geschlecht umgegangen sind?

Und zu was fuehrt die Absenz von Regeln ausserdem? Zu einem gesteigerten Flugverkehr Richtung Pattaya, Thailand. Aber das nur am Rande. Aber es soll deutlich sein, dass es nicht nur die jungen betrifft - diese aber im hoechsten Masse, denn wie wir die Welt gestalten, so wird sie sein. Und nicht anders.

Im Interview wird dem Papst folgende Frage gestellt:
"Heiliger Vater, Weltweit erhoffen sich Gläubige Antworten auf die global drängenden Probleme von der katholischen Kirche. Stichwort hier AIDS und Überbevölkerung: Warum stellt die katholische Kirche die Moral so heraus und über die Lösungsansätze für dieses Schicksalsproblem der Menschen, beispielsweise im afrikanischen Kontinent.

Benedikt XVI.:Ja nun, das ist die Frage: Stellen wir wirklich die Moral so heraus? Ich würde sagen – so hat es sich mir auch im Gespräch mit den afrikanischen Bischöfen immer mehr kristallisiert: Das grundlegende Stichwort, wenn wir in diesen Sachen vorankommen wollen, heißt Erziehung, Edukation, Bildung. Fortschritt kann nur Fortschritt sein, wenn er dem Menschen dient und wenn der Mensch selber wächst: wenn in ihm nicht nur das technische Können wächst, sondern auch seine moralische Potenz. Und ich denke, das eigentliche Problem unserer historischen Situation ist das Ungleichgewicht zwischen dem ungeheuren rapiden Anwachsen dessen, was wir technisch können, und unserm moralischen Vermögen, das nicht mitgewachsen ist. Und deswegen ist die Bildung des Menschen das eigentliche Rezept, der Schlüssel von allem, und das ist auch unser Weg. Und zwar hat diese Bildung, kurz gesagt, zwei Dimensionen: Zunächst einmal müssen wir natürlich etwas lernen: Wissen, Können erwerben, Know-How, wie man so schön sagt. Und dafür hat Europa, Amerika, in den letzten Jahrzehnten viel getan, und das ist etwas Wichtiges. Aber wenn man nur Know-How weitergibt, nur beibringt, wie man Maschinen macht und mit ihnen umgeht, und wie man Verhütungsmittel anwendet, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass am Schluss Krieg herauskommt und AIDS-Epidemien. Sondern wir brauchen zwei Dimensionen, es muss die Bildung des Herzens, wenn ich’s so sagen darf, mit dazukommen, durch die der Mensch Maßstäbe gewinnt und dann auch seine Technik richtig gebrauchen lernt. Und das ist es, was wir zu tun versuchen."

Wer aufmerksam liest, wird mit Sicherheit an der Stelle stocken, wo Benedikt sagt, dass mit der Weitergabe von Verhuetungsmitteln Krieg gefoerdert wird. Und damit hat derjenige auch schon die zentrale Aussage seiner Antwort entdeckt. Der Krieg entsteht dort, wo die armen Ungerechtigkeit gegenueber den Reichen verspueren. Wie versuchen die Armen in Afrika leider oft ihre Armut zu besiegen? Durch Prostitution und eine grosse Anzahl von Kindern. Ich weiss nicht, in wie fern hier die Verteilung von Kondomen hilft. Ich will solche Anstrengungen auch nicht verurteilen, doch sie koennen nicht ausreichend sein. Verhuetung in der Prostitution wird meist vom Freier abgelehnt und in der Familie ist sie ueberhaupt nicht erwuenscht. Ausserdem welchen Eindruck hinterlassen solche Kampangen beim armen Volk? Ich denke es ist nicht weithergebracht, dass der ein oder andere denkt: Jetzt wollen sie mir auch mein einziges Glueck meine Kinder nehmen. Der Papst spricht von Bildung und ja, das ist der einzige Weg. Denn erst wenn der Mensch gebildet ist, kann er entscheiden, ob er gar keinen Geschlechtsverkehr mit bestimmten Leuten haben will, oder ob er ein Kondom nimmt.

Die grosse Frage, die wir uns immer wieder stellen, gerade waehrend wir jung sind, ist: Was kann ich schon tun, in dieser elenden Welt? Der Papst spricht nach dem Weltjugendtag immer wieder speziell westliche Jugendliche an:

"Ich freu’ mich, dass es junge Menschen gibt, die beieinander sein wollen, die im Glauben beieinander sein wollen, und die eben etwas Gutes tun wollen. Denn die Bereitschaft zum Guten ist in der Jugend sehr stark. Die vielen Volontariate…! Die Suche, in den Nöten dieser Welt selbst auch etwas auszurichten, ist etwas Großes. Darin zu ermutigen, wäre ein erster Impuls: Macht weiter! Sucht nach Gelegenheiten, Gutes zu tun! Die Welt braucht solchen Willen, braucht solchen Einsatz. Und dann würde ich sagen, ein spezielles Wort wäre vielleicht: Der Mut zu endgültigen Entscheidungen!"

Die endgueltigen Entscheidungen betreffen ebe,n sich fuer einen anderen Menschen zu entscheiden, eben auch dafuer ein Kind zu bekommen, selbst wenn es der Beruf scheinbar nicht zu laesst. Sie betreffen auch sich der Hilfe fuer andere Menschen hinzugeben, sei es beruflich oder sei es in der Familie. Es ist vielleicht das schwierigste auf der Welt sich selbst aufzugeben, doch nur wenn wir dies im Namen der Anderen tun, dann koennen wir frei sein und sind unerschuetterlich in der Lebensfreude.

"Kann ich jetzt schon über das ganze Leben mit seinen unabsehbaren künftigen Ereignissen verfügen? Binde ich da nicht meine Freiheit selber und nehme etwas von meiner Beweglichkeit weg? Den Mut zu wecken, endgültige Entscheidungen zu wagen, die in Wirklichkeit erst Wachstum und Vorwärtsbewegung, das Große im Leben ermöglichen, die nicht die Freiheit zerstören, sondern ihr erst die richtige Richtung im Raum geben: das zu riskieren – diesen Sprung sozusagen ins Endgültige – und damit das Leben erst richtig ganz anzunehmen, das würde ich schon gern weitergeben."

Wir sind sehr vernuenftige Menschen in Mitteleuropa. Niemand ist so vernuenftig wie wir; auf der ganzen Welt nicht. Wir sind so vernuenftig, dass wir etwas voellig Unvernuenftiges getan haben: Wir haben begonnen zu glauben die Welt in der Hand zu haben. Aber das haben wir nicht und aus meinem tiefsten Herzen sage ich, dass Gott uns die Vernunft gab, ihn zu suchen - sie nutzt nicht ihn zu ersetzen.

"Glaube ist schwierig geworden, weil die Welt, die wir antreffen, ganz von uns selber gemacht ist und sozusagen Gott in ihr nicht mehr direkt vorkommt. Ihr trinkt nicht aus der Quelle, sondern aus dem, was uns schon abgefüllt entgegen kommt. Die Menschen haben die Welt sich selber rekonstruiert, und ihn dahinter noch zu finden, ist schwierig geworden."

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1 Kommentare:

Blogger V O R L E S E R sagt...

Der Text its zu Recht mit Poesie gelabelt. Gratulation. Das Unglück oder die fehlende Hand Gottes, ganz wie man es nennen mag, hat viel mit unserem Besitzdenken und der Angst um unseren Status zu tun.

Wer seinen Besitz demonstriert und darum erbittert kämpft, gilt in unserer Gesellschaft als erfolgreich. Kampf und Ringen, um den eigenen Vorteil und das damit zusammenhängende Einkommen finden als Leistung allgemeine Anerkennung. Erfolg zu haben, bedeutet angesehen zu sein. Deshalb sind Neid und aggressive Durchsetzung auch die Folge der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einer Leistungsgesellschaft. Es geht heute nicht mehr darum, die eigene Existenz zu sichern, sondern den eigenen Status zu erhalten oder zu verbessern. Den Mitteln, diese Ziele zu erreichen sind weniger Grenzen gesetzt denn je. Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft kommen im Zusammenleben sicher vor, sind aber unrealistische Vorstellungen von der Basis unserer Beziehungen. Sie werden relevant, nachdem die eigenen Bedürfnisse erfüllt sind. Diese gegenseitige Achtlosigkeit verwechseln wir mit Freiheit und übersehen dabei, dass wir über unser Statusdenken eine enorme gegenseitige Kontrolle ausüben. Zu glauben, wenn sich keiner um den anderen schert, lässt es sich frei beweglich leben, ist ein Irrtum. Tatsächlich funktioniert die gegenseitige Aufmerksamkeit da, wo sie besonders hinderlich ist: Wo der Einzelne sich etwas erlaubt, was keinem anderen schadet, aber ungeheuren Neid erzeugt.

Herzliche Grüsse

http://vorleser.blog.de

12:47

 

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