Vom Big Apple in die Khao San Road - Zimt und Pflaume umrunden die Welt. Stationen sind Kenia, New York, L.A., Neuseeland, Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand und Vietnam.

Samstag, Juni 16, 2007

Gesellschaftsspiele

Seit Dienstagabend bin ich nicht mehr allein bei Nittaya, zwei Freiwillige aus Spanien und Deutschland sind auesserst spontan von Kambodscha gekommen. Simone und Guillermo sind Lehrer und reisen bereits seit 6 Monaten durch Indien, Thailand, Laos und Kambodscha. Auf die Gefahr hin, dass sie das hier lesen, schreib ich mal dass sie nett sind. Ne, im Ernst, ich hab mich riesig gefreut die beiden hier zu haben und Gespraeche zu fuehren, die sonst beim Versuch ueber die Kommunikationsbarriere zu huepfen umgeknickt waeren. Wir haben grossen Spass.

Selbiger hat sich intensiviert, als wir von U (ja das ist ein Name) in die Highschool in Ban Kruat eingeladen wurden. Die Schule hat 2117 Schueler und wir durften einem auesserst spektakulaeren Fest - dem Wai Kroo - beiwohnen, wo die Schueler den Lehrern ihren Dank aussprechen. Ja sowas gibts und sogar nicht immer erzwungen. Im Lehrerzimmer kommt da gerne auch mal eine Gruppe Schuelerinnen mit einem Blumengesteck an, knieet auf den Boden und singt ein liebliches Lied. Danach gibt es vom Lehrer Lebensweisheiten und die Maedchen koennen die Traenen vor Ruehrung nicht zurueckhalten.

Wer das allerdings schon fuer merkwuerdig haelt, der hat U noch nicht erlebt. Dazu die Vorgeschichte unseres Treffens: In thailaendischen Highschools ist es nun Pflicht fuer Englischlehrer Drama zu unterrichten. Das koennen die aber nicht wirklich - ausser ein paar, die zu Fortbildungscamps geschickt wurden. Wie U. Die war 15 Tage in Bangkok und hat das Schauspielunterrichten gelernt. Nun hat sie gehoert, dass ich in der Schule von Nittaya Drama-Unterricht gebe, da wurde ich kurzerhand eingeladen ihr zu helfen. Erst war ich skeptisch, weil ich ja die Thailehrer kenn und wie zurueckhaltend die sind und die stellen sich ja bestimmt was anderes vor, als mein spastisches Abschuetteln von Bewegungshemmungen sowie unkontrollierten Gefuehlsausbruechen, die ich Schauspielerei nenne.

Weit gefehlt! Wir liegen genau auf einer Wellenlaenge und ich habe noch keine Thai gesehen, die so - entschuldigen Sie den Ausdruck - abgeht. Die Frau ist ein geballtes Kreativitaetsmonster und konnte nach zwei Stunden mit mir nix mehr sagen, ohne die passende Pantomime dazu zu machen. Wir haben uns geschuettelt vor Lachen und uns so einige Fantasiebaelle zugeschmissen - einer flog leider aus dem Fenster und wurde von einem Schueler geklaut.

Ich werde nun in der uebernaechsten Woche anfangen mit ihr an Dramastunden zu arbeiten. Dazu unterrichten wir 4 mal zwei Stunden zusammen ihre Klasse. Danach gibt es noch ein zweitaegiges Dramacamp, wo andere Lehrer aus der Umgebung an diese Unterrichtsmethode herangefuehrt werden sollen. Ich bin vollends von dieser Moeglichkeit begeistert und bin sicher, dass U eine klasse Dramalehrerin abgeben wird. Schliesslich hat sie auf die Frage, was die Schueler von ihr halten knallhart geantwortet: "They think I need mental hospital"

Als wir dann aber schonmal an der Schule waren, wurden wir natuerlich gleich noch als Lehrkraefte eingespannt und sollten ein bisschen Konversation mit den Schuelern betreiben. Nachdem ich mich vor versammelter Schule schon eingeschleimt hatte, als ich - WIE ALLE LEHRER - den Saengern ein Trinkgeld gab, wurde ich im Unterricht wieder einmal begeistert empfangen.

Dass muss man sich so vorstellen, dass der gute Thomas - den eine normale geschlechtsreife mitteleuropaische Frau fuer minder bis wenig attraktiv einschaetzen wuerde - dass der Bursche in so eine Klasse mit 70 % pupbertaeren Thai-Maedchen reinmarschiert und als er seinen Namen sagt ein Kreischkonzert ausbricht, dass ihm die Schamesroete ueber beide Ohren treibt. Was das Kreischen nur noch weiter anheizt. Na Situation dennoch gemeistert und Serioesitaet gewahrt (gucken ja auch Lehrer zu). Na jedenfalls die Motivation English zu lernen stieg binnen Sekunden bis an die Klassenzimmerdecke und was vorher keiner lernen wollte, wurde nun eifrig aus den Heften zusammengesucht: Do you have a girlfriend? - Yes. Und dann ein internationales ooooooooooooooo.

Als ich dann nach diesem langen Tag zuhause ankam, standen da doch tatsaechlich zwei Maedchen von der Highschool vor der Tuere und als ich sie auf Thai frag, was sie wollen, krieg ich ein Laecheln zur Antwort. Ich denk, sie wollen nicht zu mir (und mir faellt ein Stein vom Herzen) aber dann spricht Nittaya mit ihnen und ich weiss, dass die Erleichterung zu frueh kam. Sie wollen mich interviewen, fuer Extrapunkte in Englisch. Am Sonntag, dass wollen sie aber bei sich daheim machen. Na klar, Farang nach hause bringen und auch noch gute Noten abstauben - das ist das Hochgefuehl fuer jedes Schulmaedchen. Nach Beratschlagung mit Nittaya hab ich mich drauf eingelassen. Am Sonntag macht der Farang Hausbesuch.

Der Farang ist uebrigens gluecklich derzeit. (Besonders, weil er eine liebe Freundin daheim hat, die sich bitte keine Sorgen macht) Aber eben auch, weil seine Schueler Fortschritte machen. In allen Schulen laeuft es immer besser und auch wenn ich vielleicht der erste bin, der sie mit Tests und Ausfragen quaelt glaube ich dass sie mich moegen. Zumindest waren ihre Gesichter lang, als ich ihnen die neuen Freiwilligen vorgestellt hab, weil sie dachten, das wuerde heissen, dass ich abreise.

Sie haben noch nicht ganz verstanden, dass ich noch laenger bleibe als diese, die nach naechster Woche wieder weiter ziehen. Dennoch ueberall sind alle wie ausgewechselt. Selbst zuhause ist man viel stiller und vorsichtig. Das ist wohl die Thai-Art, dass man am Anfang sehr sehr zurueckhaltend ist. Ich denke aber viel mehr aus dem Grund, weil man fuerchtet selber etwas falsch zu machen, als dass man den neuen abzuchecken versucht. Bei den Schuelern mag das anders sein.

Na - will sagen, ich hab meinen Spass beim Unterricht und wenn ich wieder einmal einen Frechdachs aus der zweiten Klasse auf einen Baum setze von dem er alleine nicht mehr runter kommt oder wenn ich die frechen Maedchen frech sein lasse und wenn mir ein Laecheln genuegt und niemand singen muss oder weinen, um mir seine Dankbarkeit zu zeigen.

Dennoch mehren sich in letzter Zeit auch wieder ein paar Zweifel. Gerade durch die beiden anderen Freiwilligen, die viele Fragen aufwerfen. Zum Beispiel ueber den Fleiss so mancher Lehrer und ueber die traditionellen Hierachien, die Teamwork unter den Lehrern beschweren. Wo Lehrer nicht unterrichten und wo selbe meinen Freiwillige nutzen zu koennen, um Aufgaben fuers Ministerium zu erledigen, oder Tests zu bestehen, an die Gehaltserhoehungen geknuepft sind. Und wo sowas ueber Kanaele geht, die wir nicht sehen, aber wo der Aeltere dem Juengeren die Buerde auftraegt, solche Dinge von den Freiwilligen zu fordern.

Ich denke derjenige weiss genau, dass er mit einer solchen Forderung im Konflikt mit unseren Wertvorstellungen tritt. Aber er weiss auch, dass Nittaya als die Juengere seiner Forderung nachkommen muss, weil sie ansonsten ihr Ansehen und das ihrer Freiwilligen verliert. Und das ist ein starkes Druckmittel, dass auch wir verstehen und dem Simone und Guillermo in Bescheidenheit nachgegeben haben. Ich weiss nicht, ob ich meinen Stolz gebaendigt haette, aber ich verstehe die Weisheit in ihrer Entscheidung.

Klartext: Sie machen nun einen hundertseitigen Test fuer einen Lehrer, damit der mehr Geld bekommt. Gleichzeitig helfen sie ihm zu verschleiern, dass er lange nicht so gut Englisch spricht, wie er sollte und akzeptieren eine Hierachie, die ihm erlaubt zu unterrichten und nicht zu unterrichten wann er will (und er will anscheinend nicht oft). Dagegen retten sie nicht nur das Ansehen der Freiwilligen an der Schule, sondern steigern es sogar noch. Es ist auch wahrscheinlich, dass die Schueler mehr von einem Zugang zu Freiwilligen haben, als davon, dass das Ministerium weiss, dass der Lehrer nicht gut Englisch kann es aber auch keinen Ersatz gibt.

Das Ergebnis all dieser Erlebnisse sind lange lange Tage und kurze Naechte. Ich bin fit, aber es zerrt an der Kondition. Ich unterrichte sechs / sieben Tage die Woche und die Besuche bei Freunden nehmen kein Ende. Dennoch (oder gerade deswegen), ich bin gluecklich.

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